Das Grabzeichen für meine Tochter Joni.
Es zeigt das Leben, die Entwicklung und Wahrnehmungsfähigkeit meines Kindes und ist mein letztes Geschenk an sie.
Der untere Teil des Steins stellt eine Baumwurzel dar, welche mit sieben Jahresringen gekennzeichnet ist. Die sieben Jahresringe weisen auf das Alter meiner Tochter hin. Auf der Baumwurzel stehen drei kreisrunde Platten im Durchmesser von 50, 40 und 30 cm, die die drei Lebensphasen meiner Tochter versinnbildlichen und die Elemente Luft, Wasser und Wärme zum Thema haben, zu dem Joni aufgrund ihrer Blindheit einen besonderen Bezug hatte. Anders als bei sehenden Menschen war ihre Wahrnehmung durch die ihr verbleibenden Sinne geprägt, so dass sie teilweise sehr viel wacher war für naturelle Eindrücke und diese auch intensiver erlebte. Joni liebte es im Wind zu stehen und den Geräuschen nachzufühlen, die dieser machte. Oft wechselte sie Position und Standort, um alte Töne in neue zu verwandeln.
Die große Steinplatte mit dem Windspiel aus kleineren Kieseln soll dieser Neigung gerecht werden. Sie soll aber auch daran erinnern, dass die Luft zum Atmen und das Atmen zum Leben notwendig sind. Joni kam mit diesem Aspekt in besondere Berührung, da er die dritte Phase in ihrem kurzen Leben einleitete.
Die mittlere Steinplatte stellt den Bezug zu allen drei Lebensphasen dar. Deshalb trägt sie auch ihren Namen, der in Brailleschrift herausgearbeitet ist. Joni hatte eine ganz eigene Beziehung zu dem Element Wasser. Es begleitete sie wie ein rotes bzw. blaues Band durch viele Stunden ihres Daseins. Ich hatte oft den Eindruck, dass sie ihre Lebenskraft aus dem Wasser bezieht. Sie liebte es schon als Säugling nicht nur in der Badewanne zu sein, sondern sich in großen Becken mit viel Wasser zu bewegen. Später als sie laufen konnte, bereitete es ihr viel Vergnügen durch seichtes Wasser zu laufen. Am liebsten aber war sie in dieser Zeit am Meer, wo ihr die Wellen die Beinchen umspielten und ihr Geräusche und Klänge brachte, die sie sonst in dieser Form nicht wahrnehmen konnte.
In ihrem Krankheitsverlauf verhalf ihr die Vertrautheit mit dem Wasser dazu alte Bewegungsmuster neu zu erlernen. Sie traute sich im Wasser sehr viel mehr zu als am Land. Sicherlich auch durch den Verlust der Schwerkraft, konnte sie im Wasser ihren Körper anders fühlen und einsetzen. So kam es dazu, dass sie trotz der rechtsseitigen Lähmung im Wasser laufen lernte und auch lernte die gelähmte Seite in Ansätzen zu bewegen. Es war einer der wenigen Orte an denen sie sich auch später, in noch schwächerer Verfassung, wirklich entspannte. Sie genoss es sehr von dem Wasser getragen und eingehüllt zu werden.
Die dritte und kleinste Platte ist nach vorne vorgewölbt und weist das Symbol der Sonne auf. Sie spricht von der Wärme und dem Mitgefühl die meine Tochter lebenden wie toten Dingen entgegenbrachte. Sie spricht von dem inneren und äußeren Gleichgewicht, das Joni brauchte, um glücklich zu sein und das sie brauchte, um neue Wege zu erkunden. Sie spricht von der Aufmerksamkeit, die Joni den kleinen und großen Dingen im Alltag entgegenbrachte. In der Zeit als sie laufen und sprechen konnte, verging kein Tag an dem sie morgens auf dem Weg in den Kindergarten oder aber auf der Terrasse zu Hause die Vögel begrüßte oder die Sonne. Am meisten freute es sie, wenn die Raben und die Amseln ihr „antworteten“ und sie führte lange Dialoge mit ihnen. Immer wenn wir die Wohnung verließen und zurückkamen, fragte sie nach „ihren“ Vögeln und oft warteten wir darauf, dass einer von ihnen „raab, raab“ machte oder piepste. Stets auch fühlte sie sich verantwortlich für unsere Blumen, gab ihnen Wasser und forderte sie auf zu wachsen. Außerdem war Joni immer darum bemüht, dass die Menschen die in ihrer Umgebung waren, froh sind. Weinte ein Kind oder war ein Erwachsener traurig, war sie zur Stelle und versuchte zu trösten. Auch später, als ihre körperliche Behinderung fortschritt, behielt sie diese Wesenszüge bei. An dem reichen Gefühlsleben meiner Tochter soll uns deshalb die kleine Steinplatte teilhaben lassen.
Der Grabstein in seiner Gesamtheit soll an das Leben meiner Tochter erinnern, er soll ihr Wesen lebendig werden lassen und soll ihr die Möglichkeit geben anderen den Mut und die Lebensstärke, die sie hatte zu vermitteln.
U.M. 2001
Mit langer und intensiver Unterstützung konnte die Mutter das Grabmal für Ihre verstorbene Tochter in unserer Werkstatt in allen Teilen selbst aus Thüster Kalkstein arbeiten.